Stand: 24.11.2001, 09:53 h

Der Spiegel und die Sozialarbeit

Soziotherapeut
Stellungnahme gegen den Spiegelartikel vom 19.11.2001

In einem Artikel (Druckversion) in der Ausgabe des SPIEGEL vom 19.11.2001 enttarnt sich die Wochenzeitschrift als Ärzteblatt. Mein Berufsverband, der DBSH, der im Artikel erwähnt wird, nimmt wie folgt Stellung:

Leserbrief zu "Aufrüstung der Laien"

Es fällt schwer, nicht nach dem Interesse zu fragen, das den SPIEGEL dazu veranlasst hat, einen Artikel ins Heft zu nehmen, der Unabhängigkeit suggeriert und gleichzeitig der Feder der Hartmann-Bund-Ärztelobby entsprungen zu sein scheint. Von der Überschrift (Aufrüstung der Laien) zur Wahl der Sprache ("die Gutmenschen"), der Verleumdung von Motiven (bezahltes Handy, "Aufsuchen von Unwilligen", "Ausrücken") bis hin zum Endpunkt "freie Fahrt dem Seelenhirten" betreibt der Spiegel Demagogie der übelsten Machart.

Dem Autoren scheint entgangen zu sein, das Gesundheit mehr ist, als das Nichtangewiesensein auf Apparate- und Medikamentenmedizin. Wenn Menschen würdevoll und nicht alleine sterben (wie wegen der finanziellen Situation in vielen Altenheimen und Krankenhäusern schon beinahe üblich) und dies durch die Begleitung durch Ehrenamtliche und ehrenamtlich tätige Hospizvereine möglich wird, braucht es in deren Förderung der Unterstützung durch die Krankenkassen. Auch wenn es makaber klingt: Das ist allemal preiswerter als die Tagessätze für Sterbende in Krankenhäusern und das Verabreichen von Schlafmitteln. Zur Krankheit gehört eben manchmal - und im Ergebnis fast immer - das Sterben.

Sterben, die Konfrontation mit Tot, mit Unglücksfällen - für viele Angehörige oder Helfer ist dies ein traumatisches Erleben. Zum Glück sind nicht alle Ärzte so "robust", das sie davon unberührt bleiben. Es gibt viele Wege, dies zu verarbeiten: Manche führen zum Psychologen, andere zum Seelsorger. Die "gesunde" Begegnung mit Krankheit und Sterben gibt es nicht auf Krankenschein im Wartezimmer des Hartmann-Bundes.

Das Gegenteil von Krankheit ist nicht immer Gesundheit. Viele Menschen müssen lernen ihrer Krankheit zu leben. Dies gilt umso mehr für psychische Erkrankte. So mancher finden sich, aus der Klinik entlassen, im Alltag nicht zurecht und steht bald wieder vor der Tür des Krankenhauses. Ihnen soll die Soziotherapie helfen. Zum Nutzen der Krankenkassen und der Patienten gleichermaßen. Die Aufgaben sind vielfältig: Helfen bei der Inanspruchnahme von ambulanten Hilfen (z.B. Tagesstätten, Beschäftigungsangebote, medizinische Leistungen, Selbsthilfegruppen, usw.), bei der konkreten Alltagsbewältigung und der Unterstützung in Familie, Betrieb und Nachbarschaft. Nicht Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und den möglichen Ursachen psychischer Erkrankungen steht auf dem Behandlungsplan, sondern Orientierung im "Hier und Jetzt". Dies zu unterstützen haben Ärzte nicht gelernt. Nicht ohne Grund blieben noch vor 20 Jahren Patienten jahrelang stationär in den psychiatrischen Krankenhäuser. Ist diese Alternative menschlicher und billiger?

Soziotherapie ist weder ein neuer Beruf noch neu: Studierte SozialarbeiterInnen mit viel Praxiserfahrung arbeiten bereits jetzt in sozialpsychiatrischen Diensten der Kommunen, in Krankenhäusern, Tagesstätten und in Rehakliniken - und dies natürlich zu Gehältern des BAT. Und mehr wollen wir als Verband auch nicht erreichen. Das Soziotherapeuten, wollen sie mit der Krankenkasse abrechnen, selbständig arbeiten müssen, ist genauso eine von der Ärztelobby durchgedrückte Erfindung, wie der Umstand, das sich ihr Handwerkszeug auf die Vermittlung von Leistungen der Krankenkassen beschränken soll.

Wir empfehlen für 60 Minuten Therapie ca. 100,-- DM die Stunde. Das ist wenig mehr, als die Autowerkstatt als Stundensatz für das wechseln der Bremsbeläge verlangt. Und wer - wie beim Spiegel üblich - für den Taxikilometer locker 4 Mark hinlegt, sollte sich nicht beklagen, wenn wir bei Hausbesuchen als Ersatz für Fahrkosten und Fahrzeit 1,50 Mark für jeden Kilometer verlangen.

Im Übrigen empfehlen wir dem Zahnarzt des Redakteurs künftig auf die Zahnpflegebehandlung zu verzichten. Denn auch die ist seit Jahren und mit gutem Grund Leistungsbestandteil der Krankenkassen.

Wilfried Nodes
Rolf Schneider
für den GfV des DBSH

Dem ist von meiner Seite nichts hinzuzufügen!

Diether Siedenbühl